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Bankenbranche bereitet sich auf negative Bauzinsen vor

Aktualisiert: 20. Sept. 2019

Die Bauzinsen kennen derzeit nur eine Richtung: nach unten. Bereits Anfang Juni hat sich die jüngste Entwicklung angebahnt, als Mario Draghi zum zweiten Mal innerhalb kurzer Zeit die Zinswende nach hinten verschob. Seither haben sich die Bauzinsen im Schnitt um rund 30 Basispunkte verbilligt.


Immobilienfinanzierung & Negativzinsen
Foto: pixabay

Hauptgrund für den Zinsrutsch sind die stark rückläufigen Renditen bei zehnjährigen Bundesanleihen, sie geben den Takt für die Bauzinsen vor. Denn Banken refinanzieren ihre Immobilienkredite überwiegend durch Pfandbriefe – also mit Anleihen, die durch Grundstücke und Immobilien besichert sind. Und für diese Papiere wiederum dient die zehnjährige Bundesanleihe als Referenzwert.


Das bedeutet: Je weniger Zinsen die Bank für ihre ausgegebenen Pfandbriefe berappen muss, desto niedriger fallen auch die Bauzinsen aus, die sie an ihre Kunden weiterreicht.


Baudarlehen ab 0,20 Prozent pro Jahr

Laut Biallo-Baugeld-Index – einer Zusammenschau von rund 100 Baufinanzierungs-Angeboten – liegen die Durchschnittszinsen für einen zehnjährigen Baukredit aktuell bei effektiv 0,81 Prozent pro Jahr, so tief wie nie zuvor. Zum Vergleich: Zum Jahresanfang waren es noch 1,37 Prozent pro Jahr.


Doch es geht noch deutlich günstiger: Ein Darlehen über 300.000 Euro mit 60 Prozent Beleihung und 3,5 Prozent Anfangstilgung gibt es beim Kreditvermittler Dr. Klein bereits für effektiv 0,25 Prozent pro Jahr, Degussa Bank und Hypovereinsbank rufen 0,40 Prozent pro Jahr auf, bei fünf Jahren Laufzeit sogar nur 0,20 Prozent.


Negatives Terrain in Sichtweite

Sinken die Renditen von Bundesanleihen und Hypothekenpfandbriefe weiter in den Keller, dann dürfte sich auch Baugeld weiter verbilligen. Viele Häuslebauer fragen sich im Moment: Sind sogar negative Bauzinsen wie in Dänemark oder der Schweiz möglich?

"Kurzfristig halte ich es für unwahrscheinlich, dass Banken in Deutschland Immobiliendarlehen mit negativer Verzinsung anbieten – auch wenn sich Kreditinstitute schon allein aus strategischen Gründen diese Hintertür offenhalten müssen und dafür technische Vorbereitungen treffen", sagt Michael Neumann, Vorstandsvorsitzender der Dr. Klein Privatkunden AG. Mit Blick auf den Vorreiter Dänemark müsse man berücksichtigen: "Negativ ist hier der Sollzins. Unter Einbeziehung aller Gebühren liegt der Effektivzins im Plus."

Die großen Finanzinstitute halten sich eher bedeckt. Die Hypovereinsbank möchte sich "nicht an Spekulationen bezüglich künftiger Konditionen und möglichem Wettbewerbsverhalten beteiligen". Von Deutschlands größter Bank heißt es: "Die Deutsche Bank beobachtet sehr aufmerksam und fortlaufend die Auswirkungen der negativen Marktzinsen auf die Kunden und die Bank. Die Deutsche Bank plant derzeit nicht, negative Zinsen für Baufinanzierungen einzuführen."


Auch für die Allianz "kommen Negativzinsen nicht in Betracht". Von der ING heißt es: "Wir können nicht beurteilen, ob einzelne Institute Negativzinsen für Immobilienkredite einführen werden. Wir planen dies aktuell nicht."


Dänemark und Schweiz als Vorreiter

Vor kurzem sorgte die dänische Jyske Bank – die drittgrößte Bank Dänemarks – für Furore: Sie bietet jetzt zehnjährige Hypothekendarlehen zu einem negativen Sollzins von 0,5 Prozent an. Das heißt, der Kreditnehmer muss weniger zurückzahlen, als er eigentlich aufgenommen hat. Die monatliche Rate bleibt zwar stets gleich, die Restschuld wird aber jeden Monat um anteilig 0,5 Prozent pro Jahr gekürzt.


Auch in der Schweiz soll es bereits negative Hpothekenzinsen geben, wenn auch nur für institutionelle Kunden und kurzfristige Kredite mit hohen Volumina. Laut "Tages Anzeiger" soll es sich dabei um die Zuger und Graubündner Kantonalbank handeln.

Zur Erinnerung: In der Schweiz liegt der negative Einlagenzins, zu dem Banken überschüssige Liquidität bei der Notenbank parken, schon seit Januar 2015 bei minus 0,75 Prozent. Die dänische Notenbank hatte den Einlagenzins Anfang 2016 von minus 0,75 Prozent auf minus 0,65 Prozent leicht angehoben. Allerdings gewähren beide Notenbanken ihren Geldhäusern bestimmte Freibeträge.


EZB dürfte im September nachziehen

Eine Staffelung des Strafzinses wird derzeit auch im EZB-Rat diskutiert, um Banken mit großem Einlagengeschäft zu entlasten. Die Mehrheit der Marktbeobachter geht davon aus, dass die EZB auf ihrer nächsten Sitzung am 12. September den Einlagenzins weiter absenken wird.


"Wir glauben, dass der Einlagensatz um zehn Basispunkte sinken wird – auf dann minus 0,5 Prozent", sagt Deka-Chefvolkswirt Ulrich Kater im Interview mit biallo.de. "Zudem gehen wir davon aus, dass Draghi die Wiederaufnahme des Anleihekaufprogramms fürs kommende Jahr ankündigen wird." Laut Kater könnte der Einlagenzins bis Frühjahr 2020 sogar auf minus 0,6 Prozent sinken. Das letzte Wort bezüglich negativer Bauzinsen scheint offenbar noch nicht gesprochen zu sein.







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