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Arbeits­unfall: In diesen Fällen zahlt die Berufs­genossenschaft

Nach einem Arbeits­unfall trägt die gesetzliche Unfall­versicherung die Kosten von Behand­lung, Reha oder Unfall­rente. Auch bei einem Unfall auf dem Arbeitsweg springt sie ein. Oftmals müssen Betroffene allerdings um die Anerkennung des Arbeits­unfalls kämpfen – nicht selten vor Gericht. Werden Leistungen von der Berufs­genossenschaft abge­lehnt, sollten Versicherte sich wehren.


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Foto: pixabay


Arbeits­unfall - das Wichtigste in Kürze


Was zählt als Arbeits­unfall? Versichert sind Unfälle, die Arbeitnehmer in Zusammen­hang mit der versicherten Tätig­keit erleiden. Kein Versicherungs­schutz besteht, wenn Verletzungen beziehungs­weise Gesund­heits­schäden ohne Einwirkung von außen zufäl­lig während der versicherten Tätig­keit auftreten.


Wer ist geschützt? Neben Angestellten sind Auszubildende, Kindergartenkinder und Schüler, Studierende, Helfer bei Unglücks­fällen, ehren­amtlich Tätige, Entwick­lungs­helfer und pflegende Angehörige durch die gesetzliche Unfall­versicherung geschützt. Selbst­ständige können bei der Berufs­genossenschaft freiwil­lig eine Unfall­versicherung abschließen.


Sofort melden. Nach einem Arbeits­unfall sollten Arbeitnehmer umge­hend zu einem Durch­gangs­arzt gehen. Das sind Fach­ärzte mit Zulassung der Berufs­genossenschaften. Sie kümmern sich um die Versorgung.


Arbeit­geber informieren. Geschieht der Unfall außer­halb der Firma, müssen Arbeitnehmer das Unternehmen informieren. Es muss den Unfall dokumentieren und der zuständigen Berufs­genossenschaft melden, wenn die Arbeits­unfähigkeit länger als drei Tage dauert.


Wider­spruch einlegen. Lehnt die Berufs­genossenschaft Leistungen ab, hat der Betroffene einen Monat Zeit, um zu wider­sprechen. Um Fehler zu vermeiden, sollte er zu einem Anwalt gehen, der sich im Sozial- und Berufs­genossen­schafts­recht auskennt.


Das leistet die gesetzliche Unfall­versicherung

Arbeits­unfälle passieren täglich. Jähr­lich zählt die gesetzliche Unfallversicherung mehr als 800 000 Arbeits- und Wegeunfälle. Nach einem Unfall auf dem Arbeitsweg oder am Arbeits­ort selbst haben Beschäftigte Anspruch auf umfassende Leistungen. Ziel ist die möglichst schnelle Rück­kehr in den Beruf. Dazu muss die gesetzliche Unfall­versicherung ihrem gesetzlichen Auftrag entsprechend „alle geeigneten Mittel“ einsetzen. Deshalb ist die Behand­lung der Berufs­genossenschaft in aller Regel besser als die allgemeine Unfall­versorgung, weiß Sozial- und Arbeits­rechts­experte Martin Schaf­hausen. „Das Leistungs­angebot reicht von Heilbe­hand­lung, Reha, Physio und Versorgung mit Hilfs­mitteln bis zum Verletztengeld oder einer Unfall­rente.“ In besonderen Härtefällen über­nimmt die gesetzliche Unfall­versicherung sogar eine Spezial­ausrüstung des Arbeits­platzes oder bezu­schusst den Umbau der Wohnung des Arbeitnehmers.


Verletztenrente bei dauer­hafter Krankheit

Wer aufgrund eines Arbeits­unfalls oder einer Berufs­krankheit einen gesundheitlichen Schaden erleidet, bekommt eine Verletztenrente von der Berufs­genossenschaft. Der Anspruch besteht, wenn die Erwerbs­fähig­keit länger als 26 Wochen um mindestens 20 Prozent gemindert ist. Bei voll­ständigem Verlust der Erwerbs­fähig­keit erhält der Versicherte eine jähr­liche Rente in Höhe von zwei Dritteln seines Brutto­jahres­verdienstes. Bei ­einer um 20 Prozent geminderten Erwerbs­fähig­keit sind es 20 Prozent dieser Rente. Hat der Versicherte im Jahr vor einem Arbeits­unfall, der den vollen Verlust seiner Erwerbs­fähig­keit zur Folge hat, also 50 000 Euro verdient, bekommt er gut 33 333 Euro Rente. Bei einer um 20 Prozent geminderten Erwerbs­fähig­keit sind es gut 6 666 Euro (20 Prozent von 33 333 Euro). Häufig wird die Rente zunächst befristet gezahlt. Ist der Versicherte dauer­haft krank, bekommt er auch die Rente dauer­haft.


Erwerbs­minderungs­rente und Unfall­rente

Dauer­haft Kranke sind häufig also auch erwerbs­gemindert. Sie bekommen dann sowohl eine Unfall­rente von der gesetzlichen Unfall­versicherung als auch eine Erwerbsminderungsrente von der gesetzlichen Rentenversicherung. In bestimmten Fällen wird die Erwerbs­minderungs­rente dann allerdings gekürzt; und zwar dann, wenn die Summe beider Renten einen individuell zu bestimmenden Grenz­betrag über­schreitet. Maßgebend für seine Berechnung ist der vor dem Unfall erzielte Jahres­arbeits­verdienst, der einer Rente aus der gesetzlichen Unfall­versicherung zugrunde liegt. Die Berechnung ist kompliziert. Betroffene sollten sich daher in einer Beratungsstelle der gesetzlichen Rentenversicherung kostenlos beraten lassen. Hier nur ein Beispiel: Bei 500 Euro Unfall­rente und 500 Euro Erwerbs­minderungs­rente und einem Verdienst von 24 000 Euro im Jahr vor dem Arbeits­unfall wird die Erwerbs­minderungs­rente nicht gekürzt. Bei 500 Euro Unfall­rente und 1 000 Euro Erwerbs­minderungs­rente wird diese um 52 Euro gekürzt.


Unternehmen müssen zahlen

Und wer trägt die Beiträge für die gesetzliche Unfall­versicherung? Das machen die Unternehmen allein, Beschäftigte zahlen nichts. Arbeit­geber sind zwangs­weise Mitglied dieser Versicherung. Träger sind die Unfall­kassen der öffent­lichen Hand sowie gewerb­liche und land­wirt­schaftliche Berufs­genossenschaften. Die Höhe des Beitrags setzen sie je nach Branche fest. Neben Angestellten sind Auszubildende, Kinder­garten­kinder, Schüler und Studierende, Helfer bei Unglücks­fällen, ehren­amtlich Tätige, Entwick­lungs­helfer und pflegende Angehörige geschützt. Außen vor bleiben Beamte. Für sie gelten die Vorschriften der Unfall­fürsorge. Auch Selbst­ständige sind grund­sätzlich nicht unfall­versichert. Sie können aber freiwil­lig bei der Berufs­genossenschaft eine Unfall­versicherung abschließen.


Arbeits­unfall – das ist zu tun

Zum Durch­gangs­arzt. Der erste Weg ist für Unfall­opfer der zum Durch­gangs­arzt. Dieser ist meist ein Unfall­chirurg oder Ortho­päde mit einer besonderen Zulassung der gesetzlichen Unfall­versicherung. Er kann schnell die nächsten Schritte in die Wege leiten. Elke Biesel von der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV): „In jedem Betrieb sollte eine Liste mit den nächst­gelegenen Praxen von Durch­gangs­ärzten aushängen.“ Namen und Adressen gibt es auch auf den Internet­seiten der Berufs­genossenschaften, Unfall­kassen und der DGUV. Wer nach einem Unfall auf dem Arbeitsweg ins Kranken­haus gebracht wird oder selbst zu einem Arzt geht, sollte sofort den Arbeits­unfall erwähnen.


Den Chef informieren. Auch der Chef sollte schnell vom Unfall erfahren. Biesel: „Selbst kleinere Verletzungen sollten in das Verbands­buch des Unter­nehmens einge­tragen werden, um sie zu dokumentieren“. Das erleichtert den Nach­weis für den Fall, dass sich im Nach­hinein Komplikationen ergeben. Ist der Beschäftigte länger als drei Tage arbeits­unfähig, muss das Unternehmen die zuständige Berufs­genossenschaft oder Unfall­kasse informieren.


Was zählt als Arbeits­unfall?

Unter Arbeits­unfälle werden Unfälle gefasst, die versicherte Personen infolge einer versicherten Tätig­keit erleiden. Ein Unfall ist nach Paragraf 8 Sozialgesetz­buch VII „ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis, das zu einem Gesund­heits­schaden oder zum Tod führt“. Die Berufs­genossenschaften prüfen sehr sorgfältig, bevor sie zahlen. Zwei Punkte sind entscheidend: Handelt es sich tatsäch­lich um einen Unfall im gesetzlichen Sinne, und steht er in einem inneren Zusammen­hang mit der Arbeit?


Probleme bei Vorerkrankungen

Was genau unter Arbeits­unfällen zu verstehen ist, wird oft erst im Einzel­fall klar. So hat das Landes­sozialge­richt Baden-Württem­berg entschieden, dass die Unfall­versicherung nicht die Kosten trägt, wenn die eigentliche Ursache der Verletzung eine Vorschädigung war (Az. L 8 U 5043/09). In dem Fall war eine Frau während ihrer beruflichen Tätig­keit umge­knickt und hatte sich verletzt. Grund für die Verletzung war aber ein Bänderriss, den sie 22 Jahre vorher erlitten hatte. Die Berufs­genossenschaft fragt deswegen häufig bei der Krankenkasse nach, ob Vorerkrankungen des betroffenen Körperteils mitver­antwort­lich für Unfall­schäden sein könnten.


Betrieblicher Zusammen­hang

Auch der betriebliche Zusammen­hang ist ein häufiger Streit­punkt vor den Gerichten: Ein Sturz auf der Firmen­toilette stellt etwa keinen Arbeits­unfall dar, so das Sozialge­richt Heilbronn (Az. S 13 U 1826/17). Ein Mechaniker hatte geklagt, nachdem er im Toilettenraum seiner Arbeits­stelle auf dem seifigen Boden ausgerutscht und mit dem Kopf gegen das Wasch­becken gefallen war. Er erlitt eine Gehirn­erschütterung und lag vier Tage im Kranken­haus. Die zuständige Berufs­genossenschaft lehnte eine Anerkennung als Arbeits­unfall ab – mit Recht urteilten die Heilbronner Richter. Der Besuch der Toilette sei privater Natur. Auch in öffent­lichen und privaten Toilettenräumen könnten die Fliesen nass und seifig sein. Bemerkens­wert: Der Weg von oder zur Toilette ist wiederum geschützt.

Schaf­hausen: „Ein ähnlich gelagerter Fall ist der Arbeitnehmer, der sich beim Essen verschluckt. Das ist auch dem privaten Bereich zuzu­rechnen.“ Man isst eben nicht nur, um die Arbeits­kraft zu erhalten. Auch bei Raucher­pausen außer­halb der üblichen Pausenzeiten sind Arbeitnehmer deswegen nicht unfall­versichert (Sozialge­richt Karls­ruhe, Az. S 4 U 1189/15). Denn auch dabei liegt keine besondere betriebliche Gefahr vor.


Auf dem Weg zur Arbeit

Unter Arbeits­unfälle werden nicht nur die Unfälle gefasst, die sich schon aus dem Wort­sinn ergeben. Auch Wegeunfälle fallen darunter. Das sind Unfälle, die Beschäftigte auf dem unmittel­baren Weg zur oder von der Arbeit erleiden. Der Versicherungs­schutz beginnt, wenn der Arbeitnehmer durch die Außentür seine Wohnung verlässt und endet mit Betreten des Betriebs­geländes. „Unmittel­barer Weg“ heißt: Umwege sind grund­sätzlich nicht versichert. Der kleine Umweg zum Einkaufen ist genauso wenig versichert wie der Extraweg zum Tanken (Hessisches Landes­sozialge­richt, Az. L 3 U 195/07). Wer hingegen sein Kind regel­mäßig zur Kita bringt oder Kollegen auf dem Arbeitsweg abholt, ist auf der Strecke versichert. Auch bei Umleitungen oder weil der Arbeits­platz über einen längeren Weg schneller erreicht werden kann, ist der Arbeitnehmer auf der Strecke versichert.


Crash nach Arzt­besuch

Kein Versicherungs­schutz liegt vor, wenn der Arbeitnehmer nach einem knapp einstündigen Arzt­besuch während der Arbeits­zeit auf dem Rückweg zum Betrieb einen Verkehrs­unfall erleidet. Das geht aus einem aktuellen Urteil des Sozial­gerichts Dort­mund hervor (Az. S 36 U 131/17). In dem Fall hatte sich ein Arbeitnehmer aus Siegen nach einem Besuch eines Ortho­päden auf dem Rückweg zu seiner Arbeits­stätte bei einem Verkehrs­unfall erheblich verletzt. Die Richter urteilten, der Mann sei nicht auf einem mit seiner versicherten Tätig­keit in Zusammen­hang stehenden Betriebsweg verunglückt. „Maßnahmen zur Erhaltung oder Wieder­herstellung der Gesundheit“ – zum Beispiel ein Arzt­besuch – seien dem persönlichen Lebens­bereich des Versicherten zuzu­rechnen.


Unfall in der Mittags­pause

In der Mittags­pause sind Arbeitnehmer nur bedingt versichert: Verunglückt ein Arbeitnehmer auf dem direkten Weg zum Essen außer Haus, zahlt die betriebliche Unfall­versicherung. Ein Unfall bei anderen Erledigungen zählt nicht als Arbeits­unfall. Eine Frau, die sich verletzte, als sie zur Reinigung wollte, bekommt kein Geld. Das hat das Hessische Landes­sozialge­richt entschieden (Az. L 3 U 225/10). Auch unver­sichert ist der Aufenthalt in der Gast­stätte oder Kantine selbst.


Training vs Wett­kampf

Viele Unternehmen bieten ihren Mitarbeitern die Möglich­keit zum Betriebs­sport. Fußball, Badminton oder Flurgymnastik – die Angebote können vielfältig sein. Auch beim Betriebs­sport sind die Mitarbeiter gesetzlich versichert, wenn einige Voraus­setzungen erfüllt sind: Der Sport muss als Ausgleich für körperliche, geistige oder nerv­liche Belastungen am Arbeits­platz dienen. Er muss regel­mäßig statt­finden und der Kreis der Teilnehmer im Wesentlichen auf Betriebs­angehörige beschränkt sein. Zuletzt muss ein klarer organisatorischer Bezug zum Unternehmen bestehen. Der liegt vor, wenn etwa der Arbeit­geber den Ort oder feste Zeiten vorgibt. Wichtig ist, dass nicht sport­liche Höchst­leistungen oder die Teil­nahme an Wett­kämpfen im Vordergrund steht. Das ist in der Regel der Fall, wenn Mann­schaften verschiedener Unternehmen gegen­einander antreten – vor allem bei Punkt- und Pokal­spielen zwischen einzelnen Betriebs­sport­gemeinschaften.


In einem Fall vor dem Sozialge­richt Wiesbaden wurde eine Knie­verletzung, die sich eine Frau bei einem Volleyball­turnier zugezogen hatte, nicht als Arbeits­unfall anerkannt. Begründung: Der Wett­kampf stand im Vordergrund und am Turnier konnten nur wenige Mitarbeiter mitmachen, aber auch Betriebs­fremde (Az. S 32 U 34/14).


Gesel­lige Team­events

Auch das gesel­lige Miteinander auf dem Betriebs­ausflug oder einer Betriebs­feier steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfall­versicherung. Versichert ist der Arbeitnehmer hierbei, wenn die Veranstaltung vom Chef ausgerichtet wird, sich an alle Betriebs­angehörigen richtet und der Zusammen­gehörig­keit dient.


Das Sozialge­richt Dort­mund hat einen Arbeits­unfall bei einer Arbeitnehmerin anerkannt, die im Laufe eines vom Arbeit­geber organisierten Grill­abends umge­knickt und sich das Sprunggelenk gebrochen hat (Az. S 18 U 211/15). Zwar war die Arbeitnehmerin zu dem Zeit­punkt im alkoholisierten Zustand – dadurch verliere sie aber auf einer Betriebs­ver­anstaltung nicht ihren gesetzlichen Unfall­versicherungs­schutz. Nur wenn Arbeitnehmer so betrunken sind, dass sie nicht mehr in der Lage sind, an dem gesel­ligen Beisammensein teil­zunehmen, fallen sie aus dem Schutz­bereich raus.




Quelle: test.de, 15.03.19


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